- in Kraft getreten am 01.01.2022
- betrifft Umsetzung der RL (EU) 2019/770 (= Digitale-Inhalte-RL);
G v. 25.06.2021, BGBl. I S. 2123; Übersicht Gesetzgebungsverfahren - neu: §§ 445c, 475a, 516a, 548a, 578a, 578b BGB
- neu: §§ 327 - 327u BGB zu Verträgen über digitale Produkte
- u.a. Änderungen von §§ 312, 312f, 453, 580a, 620, 650 BGB
Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen vom 25.06.2021 führt im Allgemeinen Teil des Schuldrechts wichtige Neuerungen im Verbraucherschutzrecht ein, wie z.B. die Pflicht zur Aktualisierung digitaler Inhalte. Die folgenden Punkte sind besonders hervorzuheben:
1. Verträge über digitale Produkte
Der neue Begriff der "digitalen Produkte" erfasst digitale Inhalte ebenso wie digitale Dienstleistungen.
Beispiele für digitale Inhalte: Computerprogramme, Video-, Audio- und Musikdateien, digitale Spiele, elektronische Bücher und Publikationen, Applikationen für mobile Endgeräte oder ähnliche Anwendungssoftware.
Beispiele für digitale Dienstleistungen: Dienste, welche die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form sowie den Zugriff auf sie ermöglichen, einschließlich Software-as-a-Service, wie die gemeinsame Nutzung von Video- oder Audioinhalten und andere Formen des Datei-Hosting, Textverarbeitung oder Spiele, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien angeboten werden.
Die Begründung zum RegE weist darauf hin, dass nicht der Inhalt, sondern dessen digitale Form maßgeblich ist. Ob das digitale Produkt auf einem Datenträger verkörpert ist, spielt keine Rolle, wie der neue § 327 Abs. 5 BGB klarstellt.
Verträge über Dienstleistungen, welche nicht vom Begriff der digitalen Dienstleistung erfasst sind, zu deren Erfüllung der Unternehmer jedoch digitale Hilfsmittel verwendet (z.B. juristische Dienstleistungen) sind vom Anwendungsbereich ausgenommen, vgl. § 327 Abs. 6 Nr. 1 BGB. Sofern die Regelungen jedoch auf den entsprechenden Dienstleistungen vorgelagerte oder diese ergänzende digitale Produkte Anwendung finden, zum Beispiel bei Legal-Tech-Angeboten wie Dokumentengeneratoren oder Legal-Chatbots, ist mit Blick auf das Gewährleistungsrecht zwischen den Inhalten und den Ergebnissen der Dienstleistung einerseits und der durch den Untertitel 1 (§§ 327 - 327s BGB) geregelten Gewährleistung für die technische Bereitstellung des digitalen Produkts andererseits zu differenzieren.
2. Bereitstellung der digitalen Produkte
Während § 327b BGB die zeitlichen Vorgaben und die Voraussetzungen für die Erfüllung der Bereitstellungspflicht des Unternehmers normiert, sieht § 327c BGB die Rechte des Verbrauchers für den Fall einer nicht erfolgten Bereitstellung vor.
3. Umfang der Verpflichtung zur mangelfreien Leistung
§ 327d BGB konkretisiert die aus dem Vertrag erwachsende Leistungspflicht des Unternehmers zur vertragsgemäßen Erfüllung, indem er die Pflicht des Unternehmers festhält, die Leistung ohne Produkt- und Rechtsmängel bereitzustellen. § 327e BGB regelt die detaillierten Vorgaben zur Frage des Vorliegens eines Produktmangels und differenziert dabei nach subjektiven beziehungsweise objektiven Anforderungen und Anforderungen an die Integration der digitalen Produkte.
4. Pflicht zur Aktualisierung
§ 327f BGB enthält mit der selbstständigen Verpflichtung des Unternehmers zu Aktualisierungen eine der wesentlichen Neuerungen der Richtlinie. Der Unternehmer ist auch bei Verträgen, die sich in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpfen, auch nach der Bereitstellung verpflichtet, Aktualisierungen zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts bereitzustellen, insbesondere im Fall von Sicherheitsaktualisierungen. Diese Leistungsverpflichtung kann auch über den Gewährleistungszeitraum hinaus gelten. Eine Aktualisierungspflicht des Unternehmers, welche für das Entstehen gewährleistungsrechtlicher Sekundärpflichten nicht mehr allein auf den Zeitpunkt des Bereitstellens abstellt, ist ein Novum im Schuldrecht.
Diese Pflicht ist jedoch in mehrfacher Hinsicht begrenzt: Den Unternehmer treffen Erstellungs-, Informations- und Bereitstellungspflichten, jedoch keine Installationspflichten. Er hat nach § 327f Abs. 2 BGB zwar die erforderlichen Informationen zur ordnungsgemäßen Installation vorzuhalten, eine Unterlassung seitens des Verbrauchers führt – bei daraus resultierenden Mängeln – jedoch nicht zu einer Haftung, sondern zu einer Entlassung des Unternehmers aus der Gewährleistungspflicht. Die Update-Pflichten sind vom Umfang her begrenzt – der Empfänger des Produkts muss nicht mit jeglicher Art von Aktualisierung versorgt werden; erstellt und bereitgehalten werden müssen "lediglich" Updates, die zum Erhalt oder zur Herstellung der vertragsmäßig geschuldeten Hauptleistung erforderlich sind. Hierzu zählen in erster Linie Updates zur Gewährleistung der Sicherheit des digitalen Produkts (§ 327f Abs. 1 S. 2 BGB), auch wenn Sicherheitsmängel keine Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit des digitalen Produkts selbst haben sollten. Damit sind insbesondere performancesteigernde Updates (genauer gesagt: Upgrades), die nicht vertraglich geschuldet sind, grundsätzlich nicht von der Aktualisierungspflicht umfasst; sie werden nur von der Befugnis zu Änderungen nach § 327r BGB erfasst.
Der Unternehmer muss den Verbraucher über die Aktualisierungen ausreichend informieren, wobei er sich Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen kann. Damit eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Verbrauchers über Updates möglich ist, muss der Unternehmer diesen kontaktieren können, was über den gesamten Zeitraum der Aktualisierungspflicht die Speicherung von (Kontakt-)Daten des Verbrauchers voraussetzt. Diese Datenverarbeitung soll im Einklang mit der DSGVO erfolgen.
Aus § 327e Abs. 2 BGB ergibt sich, dass es grundsätzlich dem Verbraucher obliegt, über die Installation der Aktualisierung zu entscheiden. Bei erforderlichen kritischen Sicherheits-Updates wurde angesichts der meist technischen Unerfahrenheit von Verbrauchern im Gesetzgebungsverfahren eine Schutzpflicht in Gestalt der Zwangsaktualisierungen erwogen. Letztendlich hat der Aktualisierungszwang keinen Eingang in das Gesetz gefunden, da man der Auffassung war, dass die Vorabinformationen den Verbraucher in die Lage versetzen sollten, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.
5. Gewährleistungsrechtliche Rechtsbehelfe des Verbrauchers
Hinsichtlich der Rechtsbehelfe enthält § 327i BGB wenig Überraschendes, indem die Beendigung des Vertrags (Rücktritt, Kündigung), die Nacherfüllung und die Preisminderung aufgeführt werden. Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber an dem Schadensersatz festgehalten, was die EU-Richtlinie den Mitgliedstaaten überlassen hat. Auch die gewohnte Hierarchie der Gewährleistungsrechte wird beibehalten, indem der Verbraucher zunächst die Nacherfüllung geltend machen muss, § 327m Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB.
Für die Nacherfüllung gibt § 327l Abs. 1 BGB dem Unternehmer die Wahlfreiheit, wie er die Vertragsmäßigkeit wiederherstellt. Die Nachbesserung muss unentgeltlich erfolgen, wovon aber z.B. Kosten der Datenübermittlung ausgenommen sein sollen, die der Verbraucher nur als Schaden geltend machen könne. Ferner sieht § 327l Abs. 1 BGB zwar eine angemessene Frist zur Nachbesserung nach Inkenntnissetzung durch den Verbraucher über den Mangel vor, nicht aber, dass der Verbraucher diese auch setzen muss. Schließlich stellt § 327l Abs. 1 S. 2 BGB die Nacherfüllung unter den Vorbehalt der Unannehmlichkeiten für den Verbraucher, worunter der Gesetzgeber z.B. nötige Veränderungen der digitalen Umgebung oder Auswirkungen auf die Funktionalität anderer digitaler Produkte erfassen will. Unterschiede zum geltenden Gewährleistungsrecht ergeben sich ferner hinsichtlich der Unmöglichkeit für den Unternehmer zur Nacherfüllung. So kann der Anspruch auf Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten für den Unternehmer ausgeschlossen sein, wobei auf die Rechtsprechung zu § 439 Abs. 4 S. 2 BGB zurückgegriffen werden kann.
Auf Grund der Gleichstellung von einmaligen und dauerhaften Bereitstellungen von digitalen Produkten musste der Gesetzgeber die Differenzierung zwischen Rücktritt und Kündigung zu Gunsten des Terminus "Vertragsbeendigung" aufgeben. Nach § 327m Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt die Vertragsbeendigung insbesondere bei dem Ausschluss der Nacherfüllung nach § 327l Abs. 2 BGB in Betracht, wobei allerdings keine ausdrückliche Erklärung des Unternehmers erforderlich ist. Auch für den Fall, dass der Unternehmer die Nachbesserung nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgenommen hat, sieht § 327m Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht zur Vertragsbeendigung vor. Als Vertragsbeendigungsgrund kommt neben dem schwerwiegenden Mangel auch die Weigerung des Unternehmers zur Nachbesserung in Betracht, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Weigerung berechtigt war oder nicht. Nur bei unerheblichen Mängeln kann der Verbraucher kein Recht auf Vertragsbeendigung geltend machen – wovon wiederum die Verträge, die nur Daten "als Gegenleistung" vorsehen, ausgenommen sind, § 327m Abs. 2 S. 2 BGB.
Für Paketverträge enthält § 327m Abs. 4 BGB eine dem § 327c Abs. 6 BGB vergleichbare Regelung für die Vertragsbeendigung: Wenn der Mangel eines Vertragsbestandteils das Interesse des Verbrauchers an dem gesamten Paketvertrag entfallen lässt, erstreckt sich die Vertragsbeendigung auch auf den ganzen Paketvertrag. "Paketvertrag" ist in Art. 3 Abs. 6 der EU-Richtlinie legaldefiniert: "Ein einziger Vertrag zwischen demselben Unternehmer und demselben Verbraucher, der in einem Paket neben der Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen Elemente der Bereitstellung anderer Dienstleistungen oder Waren enthält." Ein Beispiel für einen Paketvertrag ist die vertragliche Vereinbarung über die Bereitstellung eines Videostreamingdienstes, welche gemeinsam mit dem Kaufvertrag über ein Elektronikprodukt abgeschlossen wird, das zur Wiedergabe dieses digitalen Produkts geeignet ist.
Anstelle der Vertragsbeendigung kann der Verbraucher im Falle von Verträgen, für die er einen Preis entrichtet, eine Minderung nach § 327n Abs. 1 BGB verlangen. Für die Berechnung der Minderung verweist § 327n Abs. 2 BGB – wie sonst auch – auf das Verhältnis des Werts eines mangelfreien digitalen Produkts zum wirklichen Wert des Produkts.
Neben der Vertragsbeendigung gewährt § 327m Abs. 3 BGB dem Verbraucher auch nach §§ 280 Abs. 1, 283 S. 1 und 311a Abs. 2 S. 1 BGB das Recht, Schadensersatz statt der Leistung oder nach § 284 BGB Ersatz vergeblicher Aufwendungen zu verlangen. Im Gegensatz zu anderen Rechtsbehelfen können diese Regelungen allerdings abbedungen werden, was § 327s Abs. 4 BGB klarstellt.
6. Verträge zwischen Unternehmern (B2B)
§§ 327t und 327u BGB enthalten besondere Bestimmungen für Verträge über digitale Produkte zwischen Unternehmern (B2B). § 327u BGB regelt einen möglichen Rückgriff des Unternehmers bei dem Vertragspartner, von dem er das digitale Produkt bezogen hat. § 327u Abs. 4 BGB gestaltet die Regelungen von § 327u BGB zugunsten des Unternehmers als zwingend, sodass entgegenstehende Vertragklauseln unwirksam sein dürften.
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