Zweck
Verletzt ein Vertragspartner eine vertragliche Pflicht, kann der andere Vertragspartner unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich Schadensersatz verlangen.
Eine vertragliche "Indemnity" Klausel geht darüber hinaus und erweitert die Haftung des freistellenden Vertragspartners (in der Regel der Lieferant). Voraussetzungen und Rechtsfolgen unterliegen den Vertragsverhandlungen im Einzelfall.
Die Indemnity stellt eine Hauptverpflichtung dar; sie hängt nicht davon ab, dass ein Verstoß gegen eine vertragliche Verpflichtung nachgewiesen werden muss. Dies bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Vertragsverletzung:
- Eine Entschädigung wird in der Regel durch den Eintritt eines Schadens ausgelöst, ohne dass ein Verschulden nachgewiesen werden muss. Auf diese Weise lassen sich auch die Regeln für Verursachung und Schadensminderung umgehen, die eine Rückforderung ansonsten erschweren können.
- Ist der Geltungsbereich der Indemnity weit gefasst, kann sie eine umfassendere Erstattung von Verlusten wie Rechtskosten und anderen damit verbundenen Kosten ermöglichen, als dies bei einer Klage wegen Vertragsverletzung möglich wäre.
- Schadensersatzforderungen gelten als schwieriger abzuwehren und es ist wahrscheinlicher, dass der freistellende Vertragspartner im Rahmen einer Entschädigung Zahlungen leistet, ohne dass ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden muss.
Jede Indemnity Klausel ist daher kritisch zu prüfen und – jedenfalls aus Sicht des freistellenden Vertragspartners – soweit möglich zu reduzieren (siehe Beispiel weiter unten). Je nach Ausgestaltung der Klausel sind weitere Einschränkungen vorzunehmen (siehe unten).
Nach aktueller Rechtsprechung der U.S.-amerikanischen Gerichte erfasst eine Indemnity Klausel grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche Dritter und nicht Schadensersatzansprüche des Vertragspartners.[1] Dieser Aspekt muss bei der Gestaltung der Indemnity Klausel beachtet werden, denn Vertragspartner versuchen immer häufiger, den eigentlichen Anwendungsbereich einer typischen Indemnity Klausel deutlich zu erweitern.
In diesem Zusammenhang spielt auch die jeweilige Haftungsbeschränkungsklausel ("Limitation of Liability") eine wichtige Rolle. Häufig versucht der freigestellte Vertragspartner, die Haftungsbeschränkung so zu gestalten, dass diese nicht die Indemnity umfasst. Dies hätte zur Folge, dass die Haftung im Fall der Indemnity unbeschränkt ist. Aus Sicht des freistellenden Vertragspartners sollte die Haftungsbeschränkung daher auch die Indemnity umfassen.
Beispiel einer Standard Indemnity Klausel
"The Supplier shall indemnify, defend, and hold harmless the Customer, its affiliates, officers, directors, employees, agents, and subcontractors ("Indemnitees") against all claims, demands, suits, liabilities, costs, expenses (including legal fees), damages, and losses suffered or incurred by the Indemnitees arising out of or in connection with:
a) Supplier’s breach or negligent performance or non-performance of this Agreement; or
b) Any actual or alleged infringement of a third-party’s intellectual property rights from the Customer’s use of the delivered products and performed services."
Beispiel einer Überarbeitung der Standard Indemnity Klausel aus Sicht des freistellenden Vertragspartners
"The Supplier shall indemnify , defend, and hold harmless[2] the Customer , its affiliates, officers, directors, employees, agents, and subcontractors ("Indemnitees")[3] against all claims, demands, suits, liabilities, costs, expenses (including reasonably incurred[4] legal fees), damages, and losses, provided these are reasonably foreseeable at the time of the conclusion of the agreement,[5] suffered or incurred by the Indemnitees Customer arising out of or in connection with a third-party claim against the Customer caused directly by[6]:
a) Supplier’s breach or negligent performance or non-performance of this Agreement The Supplier's culpable breach of its confidentiality obligations according to section [insert reference] of this agreement[7]; or
b) Any actual or alleged infringement of a third-party’s intellectual property rights by the Customer’s use of the delivered products and performed services.
This indemnity shall not apply to the extent that a claim under it results from the Customer’s negligence or willful misconduct.[8]
The Customer may not claim indemnity if it fails to take reasonable steps to mitigate its losses.[9]"
Indemnification shall be the Customer's sole remedy for matters covered by the indemnity.
Hinweise und weiterführende Literatur
Vgl. Sarn Energy LLC v. Tatra Defence Vehicle A.S., C.A. No.: N17C-06-355 EMD CCLD, 2019 WL 6525256 (Del. Super. October 31, 2019); Winshall v. Viacom International, Inc., C.A. No.: N15C-06-137 EMD CCLD, 2019 WL 5787989 (Del. Super. November 6, 2019); a.A. Collab9. LLC v. En Pointe Technologies Sales, LLC, C.A. NO. N16C-12-032 MMJ CCLD, C.A. NO. N19C-02-141 MMJ CCLD, 2019 WL 4454412 (Del. Super. September 17, 2019). ↩︎
Reduzierung der Pflichten des freistellenden Vertragspartners. Der Begriff "defend" enthält die Pflicht des freistellenden Vertragspartners, seinen Vertragspartner im Rahmen eines Rechtsstreits mit einem Dritten zu verteidigen. Der Begriff "hold harmless" führt dazu, dass der freistellende Vertragspartner keine Ansprüche gegen seinen Vertragspartner geltend machen kann (str.). ↩︎
Reduzierung des sehr weiten persönlichen Anwendungsbereichs der Indemnity Klausel. ↩︎
Nach U.S.-amerikanischem Prozessrecht hat der Kläger auch im Erfolgsfall keinen Anspruch auf Ersatz seiner Rechtsanwaltskosten (sog. "American Rule"). Aus diesem Grund werden die Rechtsanwaltskosten in Indemnity Klauseln als ersatzfähiger Schaden aufgeführt. In diesem Fall sollten diese Kosten aber zumindest auf ein angemessenes Maß begrenzt werden. Zu den "reasonable" Rechtsanwaltskosten vgl. auch Euro-Asian Oil SA v. Credit Suisse AG [2017] EWHC B7 (Comm) (23 January 2017). ↩︎
Beschränkung der Haftung auf vorhersehbare Schäden bzw. Ausschluss von Folgeschäden. Ohne diese Ergänzung ist es umstritten, ob der "test of remoteness" (auch "test of reasonableness" genannt) – erstmals in Hadley & Anor v Baxendale & Ors [1854] EWHC Exch J70 (23 February 1854) – auch für eine Indemnity Klausel gilt. Siehe auch Glenn D. West and Sara Duran, Reassessing the "Consequences" of Consequential Damage Waivers in Acquisition Agreements (2008). 63 Bus. Law. 777 (2008), https://ssrn.com/abstract=2660962. ↩︎
Beschränkung durch Notwendigkeit einer Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des freistellenden Vertragspartners und dem Anspruch des Dritten. Die übliche Formulierung "directly or indirectly" sollte unbedingt vermieden werden. Dies gilt auch für die uneingeschränkte Verwendung von "arising out of or in connection with". Denn damit werden auch Folgeschäden miterfasst. ↩︎
Eine Freistellung für sämtliche Pflichtverletzungen sollte unbedingt vermieden werden. Neben dem üblichen Regelungsbereich einer Indemnity (Verletzung von IP-Rechten) sollte diese – wenn überhaupt – nur Verstöße gegen Geheimhaltungspflichten erfassen. Zudem sollte Verschulden als weitere Tatbestandsvoraussetzung aufgenommen werden (das in vielen englischsprachigen Ländern vorherrschende Common Law kennt kein Verschuldenserfornis). ↩︎
Einschränkung bei Mitverschulden (vgl. § 254 Abs. 1 BGB wenn deutsches Recht Anwendung findet). ↩︎
Weitere Einschränkung bei Mitverschulden (vgl. § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB wenn deutsches Recht Anwendung findet). ↩︎
Formulierungsbeispiel aus Sicht des freistellenden Vertragspartners
a) the Supplier's culpable breach of its confidentiality obligations according to section [insert reference] of this agreement; or
b) Any infringement of a third party's intellectual property rights out of the Customer's use of the technology.
This indemnity shall not apply to the extent that a claim under it results from the Customer's negligence or willful misconduct.
The Customer may not claim indemnity if it fails to take reasonable steps to mitigate its losses.
Indemnification shall be the Customer's sole remedy for matters covered by the indemnity.
Zusätzlicher Schutz des freistellenden Vertragspartners
Der freistellende Vertragspartner kann sein Risiko durch eine Reihe anderer Mechanismen weiter minimieren. Insbesondere können folgende Bedingungen in den Vertrag aufgenommen werden:
- der freigestellte Vertragspartner ist verpflichtet, den freistellenden Vertragspartner unverzüglich über jeden Anspruch zu informieren
- der freigestellte Vertragspartner darf weder den Anspruch anerkennen noch einen Vergleich mit dem Dritten abschließen
- der freistellende Vertragspartner hat die alleinige Kontrolle darüber, wie mit dem Anspruch zu verfahren ist
- der freigestellte Vertragspartner ist verpflichtet, den freistellenden Vertragspartner bei der Verteidigung (auf eigene Kosten) zu unterstützen
- einen Mindestbetrag festlegen, der erreicht werden muss, bevor die Entschädigungspflicht eintritt ("basket")
- keine Freistellung, wenn und soweit:
- das vertragsgegenständliche Produkt (bzw. Leistung) modifiziert worden ist
- das vertragsgegenständliche Produkt (bzw. Leistung) zusammen mit anderen Produkten (bzw. Leistungen) verwendet worden ist, die von dem freistellenden Vertragspartner nicht freigegeben waren
- das vertragsgegenständliche Produkt (bzw. Leistung) entgegen den Vorgaben des freistellenden Vertragspartners verwendet worden ist
- Freistellung auf bestimmte Arten von geistigem Eigentum beschränken, zum Beispiel auf Patente statt auf geistiges Eigentum im Allgemeinen
- Freistellung gegenständlich (z.B. nur bestimmte Arten von geistigem Eigentum), geografisch (z.B. EU) und zeitlich (z.B. 1 Jahr nach Lieferung) beschränken
Empfehlung
Aus Sicht des freigestellten Vertragspartners ist eine Indemnity sinnvoll. Aus Sicht des freistellenden Vertragspartners muss diese aber auf ein angemessenes Maß reduziert werden, um eine unbeschränkte (und unübersehbare) Haftung zu vermeiden.
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