In Wirtschaftsverträgen (B2B) finden sich häufig vorformulierte Vertragsklauseln, die eine Individualvereinbarung begründen sollen.
Beispiel:
"Individualvertragliche Vereinbarung
Auch wenn die Bedingungen und Vorschriften dieses Rahmenvertrages für alle künftigen Bestellungen festgelegt werden, so erklären die Parteien durch Unterzeichnung dieses Rahmenvertrages explizit, dass diese mit dem gemeinsamen Ziel einer effizienten künftigen Zusammenarbeit als individualvertragliche Bedingungen und Vorschriften im Einzelnen frei und offen erörtert, verhandelt und gemeinsam festgelegt wurden."
2. Beispiel:
"Die Parteien haben sämtliche Klauseln dieser Geheimhaltungsvereinbarung nach gründlicher Erörterung ausgehandelt im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, sodass ein Individualvertrag vorliegt."
Der Verwender versucht mit derartigen Vertragsklauseln eine Individualvereinbarung zu begründen, damit die von ihm verwendeten Vertragsbedingungen nicht der strengen AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen.
Denn nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung bedeutet „Aushandeln“, dass der Verwender den "gesetzesfremden" Kerngehalt der betroffenen Klausel ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt. Der Vertragspartner muss die reale Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Klausel zu beeinflussen. Das ist nur selten tatsächlich der Fall.
Die Darlegungs- und Beweislast, dass im konkreten Einzelfall eine Klausel zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt wurde, obliegt dem Verwender. An den Beweis des „Aushandelns“ sind hohe Anforderungen zu stellen.
Ist eine derartige Klausel tatsächlich geeignet, eine Individualvereinbarung zu begründen?
Nach Ansicht des BGH hat eine von dem Verwender vorgelegte und von dem Vertragspartner unterzeichnete Erklärung, der zufolge alle Vertragsbedingungen ausgehandelt worden sind, keinen Beweiswert; sie ist weder ein Beweis für das Vorliegen einer Individualvereinbarung noch führt sie zu einer Beweislastumkehr (so bereits BGH, Urt. v. 15.12.1976 - IV ZR 197/75; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.03.2014 - VII ZR 248/13 in einem neueren B2B Fall).
Eine formularmäßige Bestätigung, wonach die Vertragsparteien, angeblich sämtliche Klauseln ausgehandelt haben, ist im Übrigen nach § 309 Nr. 12 b) BGB unwirksam (so bereits BGH, Urt. v. 28.01.1987 - IVa ZR 173/85 zum damaligen § 11 Nr. 15 AGB-Gesetz). Dies gilt jedenfalls für derartige Aushandelnsbestätigungen auch im B2B, weil der Begriff des Aushandelns einer näheren juristischen Interpretation bedarf, die nur wenigen Unternehmern geläufig ist.
Schließlich ist mit dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB ebenfalls nicht zu vereinbaren, wenn Vertragsparteien unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen individualrechtlich ausschließen.
Zusammenfassung
(Unwirksame) Vertragsklauseln haben eine Gemeinsamkeit mit Mode: Sie kommen immer wieder zurück, und sei es nur in neuen Farben. Die angesprochenen Klauseln, wonach die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sein sollen, sind nicht geeignet eine Individualvereinbarung zu begründen.
Der Weg zur Individualvereinbarung ist weiterhin möglich, aber dazu bedarf es einer besseren Strategie.
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