Auslegung der Schienennetz-Benutzungsbedingungen 2013 bzw. 2014: Schadensersatzansprüche für Vermögensschäden
Eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der die Haftung des Klauselverwenders für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7 lit. b BGB) ausgeschlossen ist, nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam, § 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB. Eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB ist somit dann unwirksam, wenn sie – wie es vorliegend der Fall wäre – hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt. Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für grobes Verschulden.
BGH, Urt. v. 03.02.2021 – XII ZR 29/20
Reichweite einer Gerichtsstandsvereinbarung
Die sachliche Reichweite einer Gerichtsstandsvereinbarung ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung einer Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit ist Sache des nationalen Gerichts. Sie richtet sich, wenn sie Teil einer umfassenderen Vereinbarung ist, regelmäßig nach dem für den Vertrag geltenden Recht, soweit Art. 25 Brüssel-Ia-VO keine Maßstäbe und Vorgaben enthält.
BGH, Urt. v. 10.02.2021 – KZR 66/17
Pauschalierungsklausel für Schäden durch Kartellabsprachen
Der BGH hat entschieden, dass ein an einem Kartell beteiligter Auftragnehmer durch eine insbesondere von öffentlichen Auftraggebern vielfach verwendete Schadenspauschalierungsklausel nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Der Schadensersatzanspruch eines Kartellgeschädigten, der ein Produkt zu einem kartellbedingt überhöhten Preis erworben hat, kann vielmehr durch eine entsprechende Klausel im Kaufvertrag grundsätzlich wirksam in Höhe eines 5 % der Abrechnungssumme nicht übersteigenden Betrags pauschaliert werden.
BGH, Urt. v. 10.02.2021 – KZR 63/18
Mietvertrag über Geschäftsräume: Bedeutung einer Vollständigkeitsklausel
Vollständigkeitsklauseln ("Mündliche Nebenabreden bestehen nicht", "Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen", "Mündliche Nebenabreden existieren nicht") richten sich – gleich ob sie als AGB in den Vertrag einbezogen oder individuell ausgehandelt sind - auf die Bestätigung der Tatsache, dass der schriftliche Vertrag alle zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen bezüglich des Vertragsgegenstands enthält. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass solche Klauseln lediglich die ohnehin eingreifende Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der schriftlichen Vertragsurkunde wiedergeben, jedoch dem Vertragspartner, der sich auf eine abweichende mündliche Vereinbarung berufen will, die Führung des Gegenbeweises offenlassen.
Einer Vollständigkeitsklausel – wie im vorliegenden Fall – kann demgegenüber keine unwiderlegbare Vermutung für das Nichtbestehen mündlicher Abreden und auch sonst nicht entnommen werden, dass die Absprachen der Parteien aus dem Stadium der vertragsanbahnenden Verhandlungen keine Geltung mehr beanspruchen dürften. Als AGB wäre eine dies bezweckende Formularklausel mit Blick auf §§ 305 b, 307, 309 Nr. 12 BGB ohnehin unwirksam.
BGH, Urt. v. 03.03.2021 – XII ZR 92/19
Unwirksamkeit einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzpauschale / Fixgeschäft
Eine verschuldensunabhängige Haftung kann in AGB nur ausnahmsweise wirksam vereinbart werden, insbesondere wenn sie durch höhere Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt oder durch Gewährung rechtlicher Vorteile ausgeglichen wird.
Der Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens bei Nichteinhaltung der
Lieferfrist kann ebenfalls nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
verschuldensunabhängig ausgestaltet werden, da auch § 286 Abs. 4 BGB zu den
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Verzugsregelung gehört.
Eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die einen Fixhandelskauf zum Gegenstand hat, kann wirksam sein, wenn gewichtige, für den Belasteten bei den Vertragsverhandlungen erkennbare Gründe für eine solche Vertragsgestaltung sprechen oder solche Klauseln branchenüblich sind, was bei Möbellieferungsverträgen der Fall ist.
OLG Bamberg, Urt. v. 05.03.2021 – 3 U 68/20
Verwendung einer Preisklausel und von Teilen einer Sperrklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mobilfunkunternehmens
Die Formulierung "unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften" ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Anmerkung: Interessant sind insbesondere die Ausführungen des Gerichts zum Transparenzgebot (Rn. 23 ff.).
BGH, Urt. v. 11.03.2021 – III ZR 96/20
Verpflichtung eines Versicherers zur Information über die Unwirksamkeit einer Klausel seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen
Die Verpflichtung eines Versicherers, die betroffenen Versicherungsnehmer über die Unwirksamkeit einer Klausel seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu informieren, kann auf § 8 Abs. 1 UWG gestützt werden, weil der Verstoß einer Klausel gegen § 307 BGB zugleich einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG darstellt.
Anmerkung: Lesenswert sind auch die Ausführungen zum sog. blue-pencil-test (Rn. 64).
BGH, Urt. v. 31.03.2021 – IV ZR 221/19
Fingierte Zustimmung des Kunden zu Änderungen der AGB ist unwirksam
Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.
BGH, Urt. v. 27.04.2021 – XI ZR 26/20
Unwirksame Betretungsklausel in Architektenvertrag
Die in Musterverträgen zugunsten von Architekten verwendete Klausel "Der Auftragnehmer ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrags – das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu betreten, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen." ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil sie bei der gebotenen objektiven Auslegung den Vertragspartner des Architekten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
BGH, Urt. v. 29.04.2021 – I ZR 193/20
Wirksame Stornierungsgebühr im Beherbergungsvertrag (B2B)
Eine Klausel, die eine Stornierung ab einem bestimmten Zeitpunkt mit der Zahlung einer Gebühr von 90% des Buchungspreises verknüpft, stellt auch unter Berücksichtigung der Wertungen der gemäß § 310 BGB nicht unmittelbar anwendbaren § 308 Nr. 7, § 309 Nr. 5 BGB keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne von § 307 BGB dar.
Bei der Angemessenheitsprüfung ist der gesamte Vertragsinhalt einzubeziehen. Dabei ist bei sachlich zusammenhängenden Regelungen, die in einem Wechselverhältnis stehen, eine Kompensation von Vor- und Nachteilen zulässig.
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob die Stornierungsgebühr unangemessen hoch ist, ist der Betrag, der andernfalls geschuldet wäre. Im Streitfall ist zu beachten, dass der Klägerin grundsätzlich von Gesetzes wegen kein Recht zustand, sich einseitig und grundlos von dem geschlossenen Vertrag zu lösen. Ohne die vertraglich vereinbarte Berechtigung, den Vertrag stornieren zu können, bliebe die Klägerin – vorbehaltlich spezieller gesetzlicher Lösungstatbestände – vielmehr nach dem Grundsatz pacta sunt servanda zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, auch wenn sie die Leistung nicht in Anspruch nimmt. Wenn die Beklagte in dieser Situation der Klägerin vertraglich ein gesetzlich nicht vorgesehenes Stornierungsrecht einräumt, verbessert sie die Rechtsposition der Klägerin unter Verschlechterung ihrer eigenen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin verpflichtet ist, ab einem gewissen Zeitpunkt eine Stornierungsgebühr in Höhe von 90% zu bezahlen. Es bleibt auch dann dabei, dass die Rechtsposition der Klägerin im Vergleich zur gesetzlichen Regellage verbessert ist. Eine unangemessene Benachteiligung liegt mithin nicht vor.
OLG Köln, Urt. v. 14.05.2021 – 1 U 9/21
Bearbeitungsengelt für Berechnung einer Nichtabnahmeentschädigung
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse enthaltene Pauschalierung des Bearbeitungsengeltes für die Berechnung einer Nichtabnahmeentschädigung hält der Inhaltskontrolle nach §§ 307, 309 Nr. 5 BGB stand.
BGH, Urt. v. 08.06.2021 – XI ZR 356/20
Unwirksame Vergütungserhöhungsklausel im Verwaltervertrag
Eine Klausel in einem Verwaltervertrag, die eine pauschale jährliche Erhöhung der Vergütung um 4% vorsieht, benachteiligt eine Wohnungseigentümergemeinschaft, der Verbraucher angehören, unangemessen und ist daher unwirksam.
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