Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist am 26.04.2019 in Kraft getreten. Mit dem Gesetz wird die Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung in deutsches Recht transformiert. In der Zwischenzeit liegen mehrere Gerichtsentscheidungen vor, die nachfolgend zusammengefasst werden.

ArbG Aachen, Urt. v. 13.01.2022 – 8 Ca 1229/20

1. Trägt der Anspruchsgegner plausibel vor, dass Konkurrenten sich geheime Informationen mittels Reverse Engineerings verschafft haben könnten, muss der Anspruchsinhaber substantiiert darlegen und ggfs. beweisen, dass seinen Produkten am Markt nicht bekanntes Wissen zugrunde liegt.

2. Bestreitet der Anspruchsgegner, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen iSv § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG getroffen wurden, muss der Anspruchsinhaber im Einzelnen und bezogen auf konkrete Informationen darlegen und ggfs. beweisenwelche Schutzmaßnahmen er zur Geheimhaltung dieser Informationen ergriffen hat.

3. Eine allgemein gehaltene arbeitsvertragliche Regelung (siehe nachfolgend), die sich auf sämtliche während des Arbeitsverhältnisses erhaltenen betrieblichen Informationen erstreckt (sog. Catch-all-Klausel), ist keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme iSv § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG.

"Herr/Frau [Vor- und Nachname] wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er/Sie wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen."

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.08.2021 – 4 SaGa 1/21

  1. Nach Ansicht des Gerichts war die streitgegenständliche Preiskalkulation Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen iSv § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG und stellte ein Geschäftsgeheimnis iSd § 2 Nr. 1 GeschGehG dar. Der Anspruchsteller hatte unter anderem eine konkrete IT-Richtlinie, ein "need to know" Prinzip sowie ein Unternehmenscompliancesystem implementiert. Zudem hatte der Anspruchsteller eine Vertragsklausel verwendet, mit welcher der Anspruchsgegner (Compliance Officer) zu Stillschweigen über Geschäftsgeheimnisse – auch nachvertraglich – verpflichtet wurde. Diese Klausel war nach Ansicht des Gerichts auch nicht zu allgemein gefasst. Denn "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die mit der Leitung [Benennung eines Bereichs] und mit vertraulichen Themen der Geschäftsführung und Geschäftsleitung zusammenhängen" waren ausdrücklich benannt.
  2. Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses scheidet mangels Begehungs- oder Wiederholungsgefahr aus, wenn aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten feststeht, dass dieser gar nicht mehr im Besitz des Geschäftsgeheimnisses ist (so auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.01.2021 – 3 SaGa 8/20).

Praxishinweise

  • Catch-All-Klauseln sind AGB-rechtlich unwirksam, weil sie über die berechtigten Interessen des Arbeitgebers hinausgehen. Ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung muss sich auf konkrete Daten und Sachverhalte beschränken (vgl. auch LAG Düsseldorf, Urt. v. 03.06.2020 – 12 SaGa 4/20LAG Köln (2. Kammer), Urt. v. 02.12.2019 – 2 SaGa 20/19). Dies entspricht auch der hM in der Literatur (vgl. Fuhlrott/Fischer NZA 2022, 809 (812); Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander UWG, 40. Aufl. 2022, GeschGehG § 2 Rn. 61 a; Apel/Stolz GRUR-Prax 2021, 1 (2); Hauck GRUR 2022, 530 (535); Hoeren/Münker MMR 2021, 523 (524); Holthausen NZA 2019, 1377 (1380).
  • Der Anspruchsteller trägt im Streitfall die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und die Implementierung von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen. 
  • Nach Ansicht des ArbG Aachen darf sich der Vortrag des Anspruchstellers hinsichtlich der Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen nicht in pauschalen Darstellungen zum allgemeinen Schutzniveau erschöpfen. Vielmehr bedarf es einer detaillierten Darstellung konkret ergriffener Maßnahmen (Geheimschutzmanagement), die sich insbesondere auch auf die konkret streitgegenständlichen Informationen beziehen. Neben einer Auflistung verschiedener Maßnahmen muss folglich konkret beschrieben werden, wie genau diese Maßnahmen die streitgegenständlichen Informationen schützen.
  • Die beiden Entscheidungen enthalten wichtige Hinweise zu angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen und sind bereits aus diesem Grund lesenswert.